Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer richtungsweisenden Entscheidung entschieden, dass der (branchenspezifische) Mindestlohn auch für Zeiten einer Erkrankung gezahlt werden muss.
Hintergrund der Entscheidung war eine Klage einer pädagogischen Mitar-beiterin eines Aus- und Weiterbildungsbetriebes. Dort wurden Krankheitszeiten abweichend von den geleisteten Arbeitsstunden und unter Unterschreitung der branchenspezifischen Mindestlohnregelung vergütet.
Auf das Arbeitsverhältnis fand über die "Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch" (MindestlohnVO) der Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15.11.2011 (TV-Mindestlohn) Anwendung.
Die beklagte Arbeitgeberin zahlte den Mindestlohn für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und für Zeiten des Urlaubs, nicht aber für durch Feiertage oder Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Arbeitsstunden sowie die Urlaubsabgeltung.
Nach Ansicht der Klägerin hatte diese aber auch für diese Zeiten Anspruch auf den branchenspezifischen Mindestlohn. Diesen Anspruch hat das Bundesarbeitsgericht als höchstes deutsches Arbeitsgericht bestätigt, so dass sich ein Anspruch der Klägerin auf Nachzahlung der Differenz zwischen der erhaltenen (zu niedrigen) Vergütung und dem Branchenmindestlohn ergab.
DAs BAG führte insoweit aus, dass laut Entgeltfortzahlungsgesetz (EfZG)
dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgeblichen regelmäßigen Arbeitszeit
zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist, § 4 Abs. 1 EFZG. Bei Erkrankungen des Arbeitnehmers ist diesem nach dem Entgeltausfallprinzip grundsätzlich das zu zahlen, was der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Die Höhe des Urlaubsentgelts und der Urlaubsabgeltung bestimmt sich nach der durchschnittlichen Vergütung der letzten 13 Wochen (Referenzprinzip), § 11 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)
Diese Regelungen finden auch Anwendung, wenn - wie hier - sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach einer Mindestlohnregelung richtet, die - wie hier die MindestlohnVO, keine Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthält. Ein Rückgriff auf etwaige vertragliche Regelungen ist insoweit unzulässig.
Bewertung und Ausblick:
Das BAG hat zwar nur über den hier gegenständlichen Fall und die spezifischen Besonderheiten entschieden. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Entscheidung als Referenz für weitere Urteile dienen wird.
Das würde bedeuten, dass der (flächendeckende) Mindestlohn auch für Feiertage, Zeiten einer Erkrankung und des Urlaubs zu zahlen wäre; es sei denn, dass eine tarifvertragliche Regelung eine Abweichung gestattet (tarifvertragliche Öffnungsklausel gem. §§ 4 Abs. 4 EFZG bzw. 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG).
Hinweise für Arbeitnehmer:
Arbeitnehmer, die der Ansicht sind, dass ihnen nicht der Mindestlohn ausgezahlt wird, sollten sich baldmöglichst anwaltlich beraten und vertreten lassen. Im Arbeitsrecht sind regelmäßig sog. Ausschlussfristen zu beachte. Das bedeutet, dass Ansprüche ab Entstehung nur innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (regelmäßig zwischen 3-6 Monaten) schriftlich oder klageweise geltend gemacht werden müssen, ansonsten sind sie verfallen. De facto handelt es sich bei den Ausschlussfristen um eine weitgehende Verkürzung der Verjährungszeit.
Das bedeutet, selbst wenn der Arbeitgeber unter Verstoß gegen das Mindestlohngesetz eine zu geringe Vergütung gewährt, kann durch zu langes Warten die Geltendmachung der Differenz ausgeschlossen sein. Allerdings ist höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt, ob Mindestlohnansprüche durch eine Ausschlussklausel untergehen können. Hiergegen spräche insbesondere die Regelung in § 3 Abs. 1 MiLoG.
Für sämtliche Fragen des Arbeitsrechts steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Alexander Schick unter der Telefonnummer 0671/29 83 26-0 zur Verfügung.